Die Venus im Pelz Kapitel 10
Venus im Pelz
Kapitel 10
Ich habe den Dom gesehen, den Palazzo vecchio, die Loggia di Lanzi und bin dann lange am Arno gestanden. Immer wieder ließ ich meinen Blick auf dem herrlichen, altertümlichen Florenz ruhen, dessen runde Kuppeln und Türme sich weich in den blauen, wolkenlosen Himmel zeichneten, auf den prächtigen Brücken, durch deren weite Bogen der schöne, gelbe Fluß seine lebhaften Wellen trieb, auf den grünen Hügeln, welche, schlanke Zypressen und weitläufige Gebäude, Paläste oder Klöster tragend, die Stadt umgeben.
Es ist eine andere Welt, in der wir uns befinden, eine heitere, sinnliche und lachende. Auch die Landschaft hat nichts von dem Ernst, der Schwermut der unseren. Da ist weithin, bis zu den letzten weißen Villen, die im hellgrünen Gebirge zerstreut sind, kein Fleckchen, das die Sonne nicht in das hellste Licht setzen würde, und die Menschen sind weniger ernst, wie wir, und mögen weniger denken, sie sehen aber alle aus, wie wenn sie glücklich wären.
Man behauptet auch, daß man im Süden leichter stirbt.
Mir ahnt jetzt, daß es eine Schönheit gibt ohne Stachel und eine Sinnlichkeit ohne Qual.
Wanda hat eine allerliebste kleine Villa auf einem der reizenden Hügel an dem linken Ufer des Arno, gegenüber der Cascine, entdeckt und für den Winter gemietet. Dieselbe liegt in einem hübschen Garten mit reizenden Laubgängen, Grasplätzen und einer herrlichen Camelienflur. Sie hat nur ein Stockwerk und ist im italienischen Stile im Viereck erbaut; die eine Front entlang läuft eine offene Galerie, eine Art Loggia mit Gipsabgüssen antiker Statuen, von der steinerne Stufen in den Garten hinabführen. Aus der Galerie gelangt man in ein Badezimmer mit einem herrlichen Marmorbassin, aus dem eine Wendeltreppe in das Schlafgemach der Herrin führt.
Wanda bewohnt das erste Stockwerk allein.
Mir wurde ein Zimmer ebener Erde angewiesen, es ist sehr hübsch und hat sogar einen Kamin.
Ich habe den Garten durchstreift und auf einem runden Hügel einen kleinen Tempel entdeckt, dessen Tor ich verschlossen fand; aber das Tor hat eine Ritze, und wie ich das Auge an dieselbe lege, sehe ich auf weißem Piedestal die Liebesgöttin stehen. Mich ergreift ein leiser Schauer. Mir ist, als lächle sie mir zu: »Bist du da? Ich habe dich erwartet.«
Es ist Abend. Eine hübsche kleine Zofe bringt mir den Befehl, vor der Herrin zu erscheinen. Ich steige die breite Marmortreppe empor, gehe durch den Vorsaal, einen großen mit verschwenderischer Pracht eingerichteten Salon und klopfe an die Türe des Schlafgemachs. Ich klopfe sehr leise, denn der Luxus, den ich überall entfaltet sehe, beängstigt mich, und so werde ich nicht gehört und stehe einige Zeit vor der Türe. Mir ist zumute, als stände ich vor dem Schlafgemach der großen Katharina und als müßte sie jeden Augenblick im grünen Schlafpelz mit dem roten Ordensbande auf der bloßen Brust und mit ihren kleinen, weißen, gepuderten Löckchen heraustreten.
Ich klopfe wieder. Wanda reißt ungeduldig den Flügel auf.
»Warum so spät?« fragt sie.
»Ich stand vor der Türe, du hast mein Klopfen nicht gehört«, entgegnete ich schüchtern. Sie schließt die Türe, hängt sich in mich ein und führt mich zu der rotdamastenen Ottomane, auf der sie geruht hat. Die ganze Einrichtung des Zimmers, Tapeten, Vorhänge, Portieren, Himmelbett, alles ist von rotem Damast, und die Decke bildet ein herrliches Gemälde, Simson und Delila.
Wanda empfängt mich in einem betörenden Deshabillee, das weiße Atlasgewand fließt leicht und malerisch an ihrem schlanken Leib herab und läßt Arme und Büste bloß, welche sich weich und nachlässig in die dunklen Felle des großen grünsamtenen Zobelpelzes schmiegen. Ihr rotes Haar fällt, halb offen, von Schnüren schwarzer Perlen gehalten, über den Rücken bis zur Hüfte herab.
»Venus im Pelz«, flüstre ich, während sie mich an ihre Brust zieht und mit ihren Küssen zu ersticken droht. Dann spreche ich kein Wort mehr und denke auch nicht mehr, alles geht unter in einem Meere niegeahnter Seligkeit.
Wanda macht sich endlich sanft los und betrachtete sich, auf den einen Arm gestützt. Ich war zu ihren Füßen herabgesunken, sie zog mich an sich und spielte mit meinem Haare.
»Liebst du mich noch?« fragte sie, ihr Auge verschwamm in süßer Leidenschaft.
»Du fragst!« rief ich.
»Erinnerst du dich noch deines Schwures«, fuhr sie mit einem reizenden Lächeln fort, »nun, da alles eingerichtet, alles bereit ist, frage ich dich noch einmal: ist es wirklich dein Ernst, mein Sklave zu werden?«
»Bin ich es denn nicht bereits?« fragte ich erstaunt.
»Du hast die Dokumente noch nicht unterschrieben.«
»Dokumente – was für Dokumente?«
»Ah! ich sehe, du denkst nicht mehr daran«, sagte sie, »also lassen wir es bleiben.«
»Aber Wanda«, sprach ich, »du weißt ja, daß ich keine größere Seligkeit kenne, als dir zu dienen, dein Sklave zu sein, und daß ich alles um das Gefühl geben würde, mich ganz in deiner Hand zu wissen, mein Leben sogar –«
»Wie du schön bist«, flüsterte sie, »wenn du so begeistert bist, wenn du so leidenschaftlich sprichst. Ach! ich bin mehr als je in dich verliebt und da soll ich herrisch sein gegen dich und strenge und grausam, ich fürchte, ich werde es nicht können.«
»Mir ist nicht bange darum«, entgegnete ich lächelnd, »wo hast du also die Dokumente?«
»Hier«, sie zog sie halb verschämt aus ihrem Busen hervor und reichte sie mir.
»Damit du das Gefühl hast, ganz in meiner Hand zu sein, habe ich noch ein zweites Dokument aufgesetzt, in welchem du erklärst, daß du entschlossen bist, dir das Leben zu nehmen. Ich kann dich dann sogar töten, wenn ich will.«
»Gib.«
Während ich die Dokumente entfaltete und zu lesen begann, holte Wanda Tinte und Feder, dann setzte sie sich zu mir, legte den Arm um meinen Nacken und blickte über meine Schultern in das Papier.
Das erste lautete:
»Vertrag zwischen Frau Wanda von Dunajew
und Herrn Severin von Kusiemski
Herr Severin von Kusiemski hört mit dem heutigen Tage auf, der Bräutigam der Frau Wanda von Dunajew zu sein und verzichtet auf alle seine Rechte als Geliebter; er verpflichtet sich dagegen mit seinem Ehrenworte als Mann und Edelmann, fortan der Sklave derselben zu sein und zwar solange sie ihm nicht selbst die Freiheit zurückgibt.
Er hat als der Sklave der Frau von Dunajew den Namen Gregor zu führen, unbedingt jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, jedem ihrer Befehle zu gehorchen, seiner Herrin mit Unterwürfigkeit zu begegnen, jedes Zeichen ihrer Gunst als eine außerordentliche Gnade anzusehen.
Frau von Dunajew darf ihren Sklaven nicht allein bei dem geringsten Versehen oder Vergehen nach Gutdünken strafen, sondern sie hat auch das Recht, ihn nach Laune oder nur zu ihrem Zeitvertreib zu mißhandeln, wie es ihr eben gefällt, ja sogar zu töten, wenn es ihr beliebt, kurz, er ist ihr unbeschränktes Eigentum.
Sollte Frau von Dunajew ihrem Sklaven je die Freiheit schenken, so hat Herr Severin von Kusiemski alles, was er als Sklave erfahren oder erduldet, zu vergessen und nie und niemals, unter keinen Umständen und in keiner Weise an Rache oder Wiedervergeltung zu denken.
Frau von Dunajew verspricht dagegen, als seine Herrin so oft als möglich im Pelz zu erscheinen, besonders wenn sie gegen ihren Sklaven grausam sein wird.«
Unter dem Vertrage stand das Datum des heutigen Tages. Das zweite Dokument enthielt nur wenige Worte.
»Seit Jahren des Daseins und seiner Täuschungen überdrüssig, habe ich meinem wertlosen Leben freiwillig ein Ende gemacht.«
Mich faßte ein tiefes Grauen, als ich zu Ende war, noch war es Zeit, noch konnte ich zurück, aber der Wahnsinn der Leidenschaft, der Anblick des schönen Weibes, das aufgelöst an meiner Schulter lehnte, rissen mich fort.
»Dieses hier mußt du zuerst abschreiben, Severin«, sprach Wanda, auf das zweite Dokument deutend, »es muß vollkommen in deinen Schriftzügen abgefaßt sein, bei dem Vertrage ist das natürlich nicht nötig.«
Ich kopierte rasch die wenigen Zeilen, in denen ich mich als Selbstmörder bezeichnete, und gab sie Wanda. Sie las und legte sie dann lächelnd auf den Tisch.
»Nun, hast du den Mut, das zu unterzeichnen?« fragte sie, den Kopf neigend, mit einem feinen Lächeln.
Ich nahm die Feder.
»Laß mich zuerst«, sprach Wanda, »dir zittert die Hand, fürchtest du dich so sehr vor deinem Glück?«
Sie nahm den Vertrag und die Feder – ich blickte im Kampfe mit mir selbst einen Augenblick empor und jetzt erst fiel mir, wie auf vielen Gemälden italienischer und holländischer Schule, der durchaus unhistorische Charakter des Deckengemäldes auf, der demselben ein seltsames, für mich geradezu unheimliches Gepräge gab. Delila, eine üppige Dame mit flammendem roten Haare, liegt halb entkleidet in einem dunklen Pelzmantel auf einer roten Ottomane und beugt sich lächelnd zu Simson herab, den die Philister niedergeworfen und gebunden haben. Ihr Lächeln ist in seiner spöttischen Koketterie von wahrhaft infernalischer Grausamkeit, ihr Auge, halb geschlossen, begegnet jenem Simsons, das noch im letzten Blicke mit wahnsinniger Liebe an dem ihren hängt, denn schon kniet einer der Feinde auf seiner Brust, bereit, ihm das glühende Eisen hineinzustoßen.
»So –« rief Wanda, »du bist ja ganz verloren, was hast du nur, es bleibt ja doch alles beim alten, auch wenn du unterschrieben hast, kennst du mich denn noch immer nicht, Herzchen?«
Ich blickte in den Vertrag. Da stand in großen kühnen Zügen ihr Name. Noch einmal schaute ich in ihr zauberkräftiges Auge, dann nahm ich die Feder und unterschrieb rasch den Vertrag.
»Du hast gezittert«, sprach Wanda ruhig, »soll ich dir die Feder führen?«
Sie faßte in demselben Augenblick sanft meine Hand, und da stand mein Name auch auf dem zweiten Papier. Wanda sah beide Dokumente noch einmal an und schloß sie dann in den Tisch, welcher zu Häupten der Ottomane stand.
»So – nun gib mir noch deinen Paß und dein Geld.«
Ich ziehe meine Brieftasche hervor und reiche sie ihr, sie blickt hinein, nickt und legt sie zu dem Übrigen, während ich vor ihr knie und mein Haupt in süßer Trunkenheit an ihrer Brust ruhen lasse.
Da stößt sie mich plötzlich mit dem Fuße von sich, springt auf und zieht die Glocke, auf deren Ton drei junge, schlanke Negerinnen, wie aus Ebenholz geschnitzt und ganz in roten Atlas gekleidet, hereintreten, jede einen Strick in der Hand.
Jetzt begreife ich auf einmal meine Lage und will mich erheben, aber Wanda, welche, hoch aufgerichtet, ihr kaltes, schönes Antlitz mit den finsteren Brauen, den höhnischen Augen mir zugewendet, als Herrin gebietend vor mir steht, winkt mit der Hand, und ehe ich noch recht weiß, was mit mir geschieht, haben mich die Negerinnen zu Boden gerissen, mir Beine und Hände fest zusammengeschnürt und die Arme wie einem, der hingerichtet werden soll, auf den Rücken gebunden, so daß ich mich kaum bewegen kann.
»Gib mir die Peitsche, Haydée«, befiehlt Wanda mit unheimlicher Ruhe.
Die Negerin reicht sie kniend der Gebieterin.
»Und nimm mir den schweren Pelz ab«, fährt diese fort, »er hindert mich.«
Die Negerin gehorchte.
»Die Jacke dort!« befahl Wanda weiter.
Haydée brachte rasch die hermelinbesetzte Kazabaika, welche auf dem Bette lag, und Wanda schlüpfte mit zwei unnachahmlich reizenden Bewegungen hinein.
»Bindet ihn an die Säule hier.«
Die Negerinnen heben mich auf, schlingen ein dickes Seil um meinen Leib und binden mich stehend an eine der massiven Säulen, welche den Himmel des breiten italienischen Bettes tragen.
Dann sind sie auf einmal verschwunden, wie wenn die Erde sie verschlungen hätte.
Wanda tritt rasch auf mich zu, das weiße Atlasgewand fließt ihr in langer Schleppe wie Silber, wie Mondlicht nach, ihre Haare lodern gleich Flammen auf dem weißen Pelz der Jacke; jetzt steht sie vor mir, die linke Hand in die Seite gestemmt, in der Rechten die Peitsche, und stößt ein kurzes Lachen aus.
»Jetzt hat das Spiel zwischen uns aufgehört«, spricht sie mit herzloser Kälte, »jetzt ist es Ernst, du Tor! den ich verlache und verachte, der sich mir, dem übermütigen, launischen Weibe, in wahnsinniger Verblendung als Spielzeug hingegeben. Du bist nicht mehr mein Geliebter, sondern mein Sklave, auf Tod und Leben meiner Willkür preisgegeben.
Du sollst mich kennen lernen!
Vor allem wirst du mir jetzt einmal im Ernste die Peitsche kosten, ohne daß du etwas verschuldet hast, damit du begreifst, was dich erwartet, wenn du dich ungeschickt, ungehorsam oder widerspenstig zeigst.«
Sie schürzte hierauf mit wilder Grazie den pelzbesetzten Ärmel auf und hieb mich über den Rücken.
Ich zuckte zusammen, die Peitsche schnitt wie ein Messer in mein Fleisch.
»Nun, wie gefällt dir das?« rief sie.
Ich schwieg.
»Wart’ nur, du sollst mir noch wie ein Hund wimmern unter der Peitsche«, drohte sie und begann mich zugleich zu peitschen.
Die Hiebe fielen rasch und dicht, mit entsetzlicher Gewalt auf meinen Rücken, meine Arme, meinen Nacken, ich biß die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Jetzt traf sie mich ins Gesicht, das warme Blut rann mir herab, sie aber lachte und peitschte fort.
»Jetzt erst verstehe ich dich«, rief sie dazwischen, »es ist wirklich ein Genuß, einen Menschen so in seiner Gewalt zu haben und noch dazu einen Mann, der mich liebt – du liebst mich doch? – Nicht – Oh! ich zerfleische dich noch, so wächst mir bei jedem Hiebe das Vergnügen; nun krümme dich doch ein wenig, schreie, wimmere! Bei mir sollst du kein Erbarmen finden.«
Endlich scheint sie müde.
Sie wirft die Peitsche weg, streckt sich auf der Ottomane aus und klingelt.
Die Negerinnen treten ein.
»Bindet ihn los.«
Wie sie mir das Seil lösen, schlage ich wie ein Stück Holz zu Boden. Die schwarzen Weiber lachen und zeigen die weißen Zähne.
»Löst ihm die Stricke an den Füßen.«
Es geschieht. Ich kann mich erheben.
»Komm zu mir, Gregor.«
Ich nähere mich dem schönen Weibe, das mir noch nie so verführerisch erschien wie heute in seiner Grausamkeit, in seinem Hohne.
»Noch einen Schritt«, gebietet Wanda, »knie nieder und küsse mir den Fuß.«
Sie streckt den Fuß unter dem weißen Atlassaum hervor und ich übersinnlicher Tor presse meine Lippen darauf.
»Du wirst mich jetzt einen ganzen Monat nicht sehen, Gregor«, spricht sie ernst, »damit ich dir fremd werde, du dich leichter in deine neue Stellung mir gegenüber findest; du wirst während dieser Zeit im Garten arbeiten und meine Befehle erwarten. Und nun marsch, Sklave!«
Ein Monat ist in monotoner Regelmäßigkeit, in schwerer Arbeit, in schwermütiger Sehnsucht vergangen, in Sehnsucht nach ihr, die mir alle diese Leiden bereitet. Ich bin dem Gärtner zugewiesen, helfe ihm die Bäume, die Hecken stutzen, die Blumen umsetzen, die Beete umgraben, die Kieswege kehren, teile seine grobe Kost und sein hartes Lager, bin mit den Hühnern auf und gehe mit den Hühnern zur Ruhe, und höre von Zeit zu Zeit, daß unsere Herrin sich amüsiert, daß sie von Anbetern umringt ist, und einmal höre ich sogar ihr mutwilliges Lachen bis in den Garten hinab.
Ich komme mir so dumm vor. Bin ich es bei diesem Leben geworden oder war ich es schon vorher? Der Monat geht zu Ende, übermorgen – was wird sie nun mit mir beginnen, oder hat sie mich vergessen, und ich kann bis zu meinem seligen Ende Hecken stutzen und Bukette binden?
Ein schriftlicher Befehl.