Die Venus im Pelz Kapitel 13
Die Venus im Pelz
Kapitel 13
Der Maler malt langsam. Um so rascher wächst seine Leidenschaft. Ich fürchte, er nimmt sich am Ende noch das Leben. Sie spielt mit ihm und gibt ihm Rätsel auf, und er kann sie nicht lösen und fühlt sein Blut rieseln – sie aber unterhält sich dabei.
Während der Sitzung nascht sie Bonbons, dreht aus den Papierhülsen kleine Kugeln und bewirft ihn damit.
»Es freut mich, daß Sie so gut aufgelegt sind, gnädige Frau«, spricht der Maler, »aber Ihr Gesicht hat ganz jenen Ausdruck verloren, den ich zu meinem Bilde brauche.«
»Jenen Ausdruck, den Sie zu Ihrem Bilde brauchen«, erwiderte sie lächelnd, »gedulden Sie sich nur einen Augenblick.«
Sie richtet sich auf und versetzt mir einen Hieb mit der Peitsche; der Maler blickt sie starr an, in seinem Antlitz malt sich ein kindliches Staunen, mischt sich Abscheu und Bewunderung.
Während sie mich peitscht, gewinnt Wandas Antlitz immer mehr jenen grausamen, höhnischen Charakter, der mich so unheimlich entzückt.
»Ist das jetzt jener Ausdruck, den Sie zu Ihrem Bilde brauchen?« ruft sie. Der Maler senkt verwirrt den Blick vor dem kalten Strahl ihres Auges.
»Es ist der Ausdruck –« stammelt er, »aber ich kann jetzt nicht malen –«
»Wie?« spricht Wanda spöttisch, »kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
»Ja –« schreit der Deutsche wie im Wahnsinn auf – »peitschen Sie mich auch.«
»Oh! mit Vergnügen«, erwidert sie, die Achseln zuckend, »aber wenn ich peitschen soll, so will ich im Ernste peitschen.«
»Peitschen Sie mich tot«, ruft der Maler.
»Lassen Sie sich also von mir binden?« fragt sie lächelnd.
»Ja« – stöhnt er –
Wanda verließ für einen Augenblick das Gemach und kehrte mit den Stricken zurück.
»Also – haben Sie noch den Mut, sich Venus im Pelz, der schönen Despotin, auf Gnade und Ungnade in die Hände zu geben?« begann sie jetzt spöttisch.
»Binden Sie mich«, antwortete der Maler dumpf. Wanda band ihm die Hände auf den Rücken, zog ihm einen Strick durch die Arme und einen zweiten um seinen Leib und fesselte ihn so an das Fensterkreuz, dann schlug sie den Pelz zurück, ergriff die Peitsche und trat vor ihn hin.
Für mich hatte die Szene einen schauerlichen Reiz, den ich nicht beschreiben kann, ich fühlte mein Herz schlagen, als sie lachend zum ersten Hiebe ausholte und die Peitsche durch die Luft pfiff und er unter ihr leicht zusammenzuckte, und dann, als sie mit halb geöffnetem Munde, so daß ihre Zähne zwischen den roten Lippen blitzten, auf ihn lospeitschte, und ehe er sie mit seinen rührenden, blauen Augen um Gnade zu bitten schien – es ist nicht zu beschreiben.
Sie sitzt ihm jetzt allein. Er arbeitet an ihrem Kopfe.
Mich hat sie im Nebenzimmer hinter dem schweren Türvorhang postiert, wo ich nicht gesehen werden kann und alles sehe.
Was sie nur hat.
Fürchtet sie sich vor ihm? Wahnsinnig genug hat sie ihn gemacht, oder soll es eine neue Folter für mich werden? Mir zittern die Knie.
Sie sprechen zusammen. Er dämpft seine Stimme so sehr, daß ich nichts verstehen kann, und sie antwortet ebenso. Was soll das heißen? Besteht ein Einverständnis zwischen ihnen?
Ich leide furchtbar, mir droht das Herz zu springen.
Jetzt kniet er vor ihr, er umschlingt sie und preßt seinen Kopf an ihre Brust – und sie – die Grausame – sie lacht – und jetzt höre ich, wie sie laut ausruft:
»Ah! Sie brauchen wieder die Peitsche.«
»Weib! Göttin! hast du denn kein Herz – kannst du nicht lieben«, ruft der Deutsche, »weißt du nicht einmal, was das heißt, lieben, sich in Sehnsucht, in Leidenschaft verzehren, kannst du dir nicht einmal denken, was ich leide? Hast du denn kein Erbarmen für mich?«
»Nein!« erwidert sie stolz und spöttisch, »aber die Peitsche.« Sie zieht sie rasch aus der Tasche ihres Pelzes und schlägt ihn mit dem Stiel ins Gesicht. Er richtet sich auf und weicht um ein paar Schritte zurück.
»Können Sie jetzt wieder malen?« fragt sie gleichgültig. Er antwortet ihr nicht, sondern tritt wieder vor die Staffelei und ergreift Pinsel und Palette.
Sie ist wunderbar gelungen, es ist ein Porträt, das an Ähnlichkeit seinesgleichen sucht, und scheint zugleich ein Ideal, so glühend, so übernatürlich, so teuflisch, möchte ich sagen, sind die Farben. Der Maler hat eben alle seine Qualen, seine Anbetung und seinen Fluch in das Bild hineingemalt.
Jetzt malt er mich, wir sind täglich einige Stunden allein. Heute wendet er sich plötzlich zu mir mit seiner vibrierenden Stimme und sagt:
»Sie lieben dieses Weib?«
»Ja.«
»Ich liebe sie auch.« Seine Augen schwammen in Tränen. Er schwieg einige Zeit und malte weiter.
»Bei uns in Deutschland ist ein Berg, in dem sie wohnt«, murmelte er dann vor sich hin, »sie ist eine Teufelin.«
Das Bild ist fertig. Sie wollte ihm dafür zahlen, großmütig, wie Königinnen zahlen.
»Oh! Sie haben mich bereits bezahlt«, sprach er ablehnend mit einem schmerzlichen Lächeln.
Ehe er ging, öffnete er geheimnisvoll seine Mappe und ließ mich hineinblicken – ich erschrak. Ihr Kopf sah mich gleichsam lebendig wie aus einem Spiegel an.
»Den nehme ich mit«, sprach er, »der ist mein, den kann sie mir nicht entreißen, ich habe ihn mir sauer genug verdient.«
»Mir ist eigentlich doch leid um den armen Maler«, sagte sie heute zu mir, »es ist albern, so tugendhaft zu sein, wie ich es bin. Meinst du nicht auch?«
Ich wagte nicht, ihr eine Antwort zu geben.
»Oh, ich vergaß, daß ich mit einem Sklaven spreche, ich muß hinaus, ich will mich zerstreuen, will vergessen.
Schnell, meinen Wagen!«
Eine neue phantastische Toilette, russische Halbstiefel von veilchenblauem Samt, mit Hermelin besetzt, eine Robe von gleichem Stoff, durch schmale Streifen und Kokarden desselben Pelzwerkes emporgehalten und geschürzt, ein entsprechender, anliegender kurzer Paletot, gleichfalls reich mit Hermelin ausgeschlagen und gefüttert; eine hohe Mütze von Hermelinpelz im Stile Katharinas II., mit kleinem Reiherbusch, der von einer Brillanten-Agraffe gehalten wird, das rote Haar aufgelöst über den Rücken. So steigt sie auf den Bock und kutschiert selbst, ich nehme den Platz hinter ihr ein. Wie sie in die Pferde peitscht. Das Gespann fliegt wie rasend dahin.
Sie will heute offenbar Aufsehen erobern, und das gelingt ihr vollständig. Heute ist sie die Löwin der Cascine. Man grüßt sie aus den Wagen; auf dem Pfade für die Fußgeher bilden sich Gruppen, welche von ihr sprechen. Doch niemand wird von ihr beachtet, hie und da der Gruß eines älteren Kavaliers mit einem leichten Kopfnicken erwidert.
Da sprengt ein junger Mann auf schlankem wilden Rappen heran; wie er Wanda sieht, pariert er sein Pferd und läßt es im Schritte gehen – schon ist er ganz nahe – er hält und läßt sie vorbei, und jetzt erblickt auch sie ihn – die Löwin den Löwen. Ihre Augen begegnen sich – und wie sie an ihm vorbeijagt, kann sie sich von der magischen Gewalt der seinen nicht losreißen und wendet den Kopf nach ihm.
Mir steht das Herz still bei diesem halb staunenden, halb verzückten Blick, mit dem sie ihn verschlingt, aber er verdient ihn.
Er ist bei Gott ein schöner Mann. Nein, mehr, er ist ein Mann, wie ich noch nie einen lebendig gesehen habe. Im Belvedere steht er in Marmor gehauen, mit derselben schlanken und doch eisernen Muskulatur, demselben Antlitz, denselben wehenden Locken, und was ihn so eigentümlich schön macht, ist, daß er keinen Bart trägt. Wenn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn für ein verkleidetes Weib halten, und der seltsame Zug um den Mund, die Löwenlippe, welche die Zähne etwas sehen läßt und dem schönen Gesichte momentan etwas Grausames verleiht –
Apollo, der den Marsyas schindet.
Er trägt hohe schwarze Stiefel, eng anliegende Beinkleider von weißem Leder, einen kurzen Pelzrock, in der Art, wie ihn die italienischen Reiteroffiziere tragen, von schwarzem Tuche mit Astrachanbesatz und reicher Verschnürung, auf den schwarzen Locken ein rotes Fez.
Jetzt verstehe ich den männlichen Eros und bewundere den Sokrates, der einem solchen Alcibiades gegenüber tugendhaft blieb.
So aufgeregt habe ich meine Löwin noch nie gesehen. Ihre Wangen loderten, als sie vor der Treppe ihrer Villa vom Wagen sprang, die Stufen hinaufeilte und mich mit einem gebieterischen Wink ihr folgen hieß.
Mit großen Schritten in ihrem Gemache auf und ab eilend, begann sie mit einer Hast, die mich erschreckte.
»Du wirst erfahren, wer der Mann in den Cascinen war, heute noch, sofort. –
O welch ein Mann! Hast du ihn gesehen? Was sagst du? Sprich.«
»Der Mann ist schön«, erwiderte ich dumpf.
»Er ist so schön –« sie hielt inne und stützte sich auf die Lehne eines Sessels – »daß es mir den Atem benommen hat.«
»Ich begreife den Eindruck, den er dir gemacht hat«, antworte ich; meine Phantasie riß mich wieder im wilden Wirbel fort – »ich selbst war außer mir, und ich kann mir denken –«
»Du kannst dir denken«, lachte sie auf, »daß dieser Mann mein Geliebter ist, und daß er dich peitscht, und es dir ein Genuß ist, von ihm gepeitscht zu werden.
Geh jetzt, geh.«
Ehe es Abend war, hatte ich ihn ausgekundschaftet.
Wanda war noch in voller Toilette, als ich zurückkehrte, sie lag auf der Ottomane, das Gesicht in den Händen vergraben, das Haar verwirrt, gleich einer roten Löwenmähne.
»Wie nennt er sich?« fragte sie mit unheimlicher Ruhe,
»Alexis Papadopolis.«
»Ein Grieche also.«
Ich nickte.
»Er ist sehr jung?«
»Kaum älter als du selbst. Man sagt, er sei in Paris gebildet und nennt ihn einen Atheisten. Er hat auf Candia gegen die Türken gekämpft und soll sich dort nicht weniger durch seinen Rassehaß und seine Grausamkeit, wie durch seine Tapferkeit ausgezeichnet haben.«
»Also alles in allem, ein Mann«, rief sie mit funkelnden Augen.
»Gegenwärtig lebt er in Florenz«, fuhr ich fort, »er soll enorm reich sein –«
»Um das habe ich nicht gefragt«, fiel sie mir rasch und schneidend ins Wort.
»Der Mann ist gefährlich. Fürchtest du dich nicht vor ihm? Ich fürchte mich vor ihm. Hat er eine Frau?«
»Nein.«
»Eine Geliebte?«
»Auch nicht.«
»Welches Theater besucht er?«
»Heute abend ist er im Theater Nicolini, wo die geniale Virginia Marini und Salvini, der erste lebende Künstler Italiens, vielleicht Europas, spielen.«
»Sieh, daß du eine Loge bekommst – rasch! rasch!« befahl sie.
»Aber Herrin –«
»Willst du die Peitsche kosten?«
»Du kannst im Parterre warten«, sprach sie, als ich ihr Opernglas und Affiche auf die Logenbrüstung gelegt hatte und eben den Schemel zurechtschob.
Da stehe ich nun und muß mich an die Wand lehnen, um nicht umzusinken vor Neid und Wut – nein, Wut ist nicht das Wort dafür, vor Todesangst.
Ich sehe sie im blauen Moirékleide, mit dem großen Hermelinmantel um die bloßen Schultern in ihrer Loge und ihn ihr gegenüber. Ich sehe, wie sie sich gegenseitig mit den Augen verschlingen, wie für sie beide heute die Bühne, Goldonis Pamela, Salvini, die Marini, das Publikum, ja die Welt untergegangen ist – und ich, was bin ich in diesem Augenblicke? –
Heute besucht sie den Ball bei dem griechischen Gesandten. Weiß sie, daß sie ihn dort trifft?
Sie hat sich wenigstens darnach angezogen. Ein schweres meergrünes Seidenkleid schließt sich plastisch an ihre göttlichen Formen und zeigt Büste und Arme unverhüllt; in dem Haare, das einen einzigen flammenden Knoten bildet, blüht eine weiße Seerose, von der grünes Schilf, mit einzelnen losen Flechten vermischt, auf den Nacken herabfällt. Keine Spur mehr von Erregung, von jener zitternden Fieberhaftigkeit in ihrem Wesen, sie ist ruhig, so ruhig, daß mir das Blut dabei erstarrt, und ich mein Herz unter ihrem Blicke kalt werden fühle. Langsam, mit müder träger Majestät, steigt sie die Marmorstufen hinauf, läßt ihre kostbare Umhüllung herabgleiten und tritt nachlässig in den Saal, den Rauch von hundert Kerzen mit silbernem Nebel gefüllt hat.
Einige Augenblicke sehe ich ihr wie verloren nach, dann hebe ich ihren Pelz auf, der, ohne daß ich es wußte, meinen Händen entsunken war. Er ist noch warm von ihren Schultern.
Ich küsse die Stelle, und Tränen füllen meine Augen.